Volkszählungsurteil
Stand: 12.09.2018
Von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung des Datenschutzes (ein kurzer Überblick, was Datenschutz eigentlich ist, findet sich auf unserer Webseite Was ist Datenschutz? ) in Deutschland war das so genannte Volkszählungsurteil vom 15.12.1983. In diesem hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass es ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gibt.
Bis zur Geltung der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) im Mai 2018 fusste das deutsche Datenschutzrecht im Grunde auf dieser Entscheidung (siehe dazu den Hinweis am Ende der Webseite), so dass das damalige Urteil historisch in jedem Falle interessant bleibt:
Der Verfassungsbeschwerde lag zugrunde, dass das Volkszählungsgesetze 1983 (VZG) eine Erhebung statistischer Daten der Bevölkerung vorsah. Darüber hinaus sah das VZG einen Abgleich mit dem Melderegister vor. Auch eine Übermittlung von personenbezogenen Einzelangaben an die fachlich zuständigen obersten Bundesbehörden und Landesbehörden sowie an die von ihnen bestimmten Stellen sollte gestattet werden, soweit diese personenbezogenen Daten von den Empfängern zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben benötigt werden. Zusätzlich sollte das VZG ermöglichen, die mit Hilfe der Gemeinden erhobenen personenbezogenen Daten ohne Namen auch dem kommunalen Bereich für bestimmte Verwaltungszwecke zur Verfügung zu stellen.
Da durch die Volkszählung jeder in gleichem Maße den Informationsanforderungen des Staates ausgesetzt war, schlug die bislang eher individuelle Betroffenheit um in eine kollektive. Die zunehmende Automatisierung ließ die Furcht vor der Verknüpfung von Daten und der unkontrollierten Persönlichkeitserfassung wachsen und führte zu dem Misstrauen, dass der Staat in das Leben der Bürger eingreifen würde.
Vor diesem gesellschaftspolitischen Hintergrund hat sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Anforderungen die Verfassung an die Verarbeitung personenbezogener Daten stellt und geht in seinen Urteilsgründen über den konkreten Einzelfall hinaus.
Die zentrale Aussage des Urteils war folgende:
Diese Einschränkungen dürfen nur durch Gesetze erfolgen, an die weitere Anforderungen wie das Gebot der Normenklarheit und der Verhältnismäßigkeit zu stellen sind. Dies bedeutet insbesondere, dass sich dem Gesetz klar entnehmen lässt, welche Daten für welchen Zweck verarbeitet werden sollen.
So hat das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich des VZG gerügt, dass im Fall des Abgleichs mit dem Melderegister nicht vorhersehbar ist, zu welchem konkreten Zweck welche Behörden die Daten verwenden. Aus ähnlichen Gründen erklärte das Bundesverfassungsgericht auch die Vorschriften des VZG für nichtig, die eine Übermittlung der Daten an oberste Bundes- und Landesbehörden und Gemeinden gestatten sollten.
Volkszählung 1987
Vier Jahre hat der Gesetzgeber nach diesem Urteil am Volkszählungsgesetz nachgebessert, so dass schließlich am 25.05.1987 Interviewer ausströmten, um die Bevölkerung zu befragen. Die Volksseele kochte hoch, Türen wurden den Interviewern vor der Nase zu geschlagen, es gab Demonstrationen. Der Staat hatte die Bürger nicht nach ihrer Meinung bspw. zu Atomkraftwerken und Aufrüstung gefragt, weshalb sollten jetzt die Bürger die Frage beantworten, ob sie eine Badewanne oder eine Dusche hätten? So dachten viele.
Volkszählung 2011
2011 wurde eine weitere Volkszählung durchgeführt, der so genannte Zensus 2011. Dieser war Teil einer europaweiten Zensusrunde und nutze neben der Erhebungen in den Haushalten die so genannte registergestützte Methode, d.h. Datenbestände bereits vorhandener Register wurden ebenfalls als Quellen genutzt.
Gesetzliche Grundlagen dieses Zensus waren:
- Die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über Volks- und Wohnungszählungen [PDF] , die den europaweiten Zensus vorsieht.
- Mit dem Gesetz zur Vorbereitung eines registergestützten Zensus einschließlich einer Gebäude- und Wohnungszählung 2011 (Zensusvorbereitungsgesetz 2011 - ZensVorbG 2011) wurden zur Vorbereitung des Zensus Grundlagen für Gebäude- und Wohnungszählung geschaffen.
- Das Gesetz über den registergestützten Zensus im Jahre 2011 (ZensG 2011) [PDF] regelt die Durchführung der Erhebungen.
- Die Verordnung über Verfahren und Umfang der Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis zum Zensusgesetz 2011 (StichprobenV) [PDF] regelt Detailfragen zur Durchführung der Haushaltsstichprobe.
- Ergänzend findet das Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke Anwendung.
- Darüber hinaus gibt es auf Länderebene entsprechende Ausführungsgesetze, in Baden-Württemberg das Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 (AGZensG 2011) .