Was haben ein Hundehaufen und eine Bank mit Datenschutz zu tun?

Stand: 03.02.2015

Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht glaubt: Eine ganze Menge.
Und noch dazu liefern sie ein schönes Lehrstück hinsichtlich der bei der Datenverarbeitung stets vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Der Fall

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Eine Kundin eines Geldinstituts in Stuttgart hat im Dezember 2007 mit Ihrem 3jährigen Kind eine Filiale im Ortsteil Degerloch aufgesucht, um Geld von einem Geldautomaten abzuheben. Währenddessen kam es zu einer fäkalen Verunreinigung des Vorraums, in dem der Geldautomat steht. Wie die Verunreinigung zustande gekommen ist, ist nicht zweifelfrei geklärt (Nach der Version der Mutter ist das Kind vorher in einen Hundehaufen getreten, nach Version der Bank hat das Kind selbst für den "Haufen" gesorgt).
Am nächsten Werktag wurden die Aufzeichnungen der Videoüberwachung des Schalterraums ausgewertet und mit den Transaktionen des Geldautomaten abgeglichen.
Anhand der ausgewerteten Daten und den vorhandenen Kundendaten gelang es der Bank, die Person zu identifizieren und schickte der Mutter eine Rechnung über 52,96 ¤ für die Reinigung der Schalterhalle.

Die Aufsichtsbehörde

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Das Innenministerium in Baden-Württemberg- Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich - hat sich in einer Stellungnahme am 20.02.2008 geäußert (leider nicht mehr online verfügbar).

Der Fall ist ein Lehrstück hinsichtlich der bei der Datenverarbeitung stets vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung: Banken dürfen die Videoüberwachung einsetzen, "um mögliche Straftäter abzuschrecken und Beweismaterial für den Fall einer versuchten oder vollendeten Straftat zu sichern." In bestimmten Grenzen dürfen die Daten auch für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen heran gezogen werden (z.B. Vandalismus gegen Geldautomaten). Gerade in der letzten Fallkonstellation muss aber sehr sorgfältig geprüft werden, ob die Nutzung der Daten und der damit verbundene Eingriff in die Rechte der Betroffenen gegenüber dem Schaden im Einzelfall noch verhältnismäßig ist.
Im Fall eines Vandalismusschadens an einem Geldautomaten in erheblicher Höhe wäre dies möglicherweise der Fall, nicht aber bei Reinigungskosten in Höhe von knapp 53 EUR. Denn die Auswertung der Videoüberwachung ist ein massiver Grundrechtseingriff, der gegenüber dem Schaden völlig außer Verhältnis steht.

Parlamentarische Reaktion

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Das Presseecho hat dazu geführt, dass der Fall weit über die Stadtgrenzen Stuttgarts hinaus bekannt wurde. Auch einigen Parlamentariern der FDP ist das Vorgehen der Stuttgarter Bank nicht verborgen geblieben und sie haben am 20.02.2008 im Bundestag eine Kleine Anfrage (BT-Drs. 16/8229) [PDF] Externer Link gestartet.
Die Antwort der Bundesregierung vom 11.03.08 (BT-Drs. 16/8473) [PDF] Externer Link bringt jedoch - allerdings bedingt durch die Art der Fragestellung - keine wirklich neuen Erkenntnisse und es wird in weiten Teilen nur der Gesetzeswortlaut wiederholt und (völlig zu Recht) auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Die Anfrage dürfte eher als politischer Profilierungsversuch zu sehen sein.

Das Presseecho (eine Auswahl)

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Nachdem der Artikel in der Stuttgarter Zeitung am 05.02.2008 erschienen ist, wurde das Thema binnen weniger Tage auch in weiteren Presseerzeugnissen aufbereitet. Die Bank, die Videoüberwachung, der Abgleich mit den Kundendaten und der "Hundehaufen" waren in aller Munde. Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl des Medienechos:

Medien in Deutschland

Golem.de (05.02.2008)
Überwachungsvideo gegen Hundedreck - Volksbank überwacht Hundekot-Verunreinigungen durch Kinder
http://www.golem.de/0802/57497.html Externer Link

Heise.de (05.02.2008)
Videoüberwachung: Eine Bank, ein Hundehaufen - und kein Gespür für Datenschutz
http://www.heise.de/newsticker/meldung/103039 Externer Link

Welt online (06.02.2008)
Datenschützer zweifeln an der Rechtmäßigkeit - Bank schickt Kundin Rechnung für Hundekot auf Steinfußboden
http://www.welt.de/welt_print/article1640577/Bank_schickt_Kundin_Rechnung_fuer_Hundekot_auf_Steinfussboden.html Externer Link

SWR Nachrichten(06.02.2008)
Volksbank im Visier von Datenschützern

"Project Reloaded"(07.02.2008)
Internet-Radio in Niedersachsen, Beitrag am 07.02.2008

Heise Online (21.08.2008)
Videoüberwachung: Datenschützer attestieren Stuttgarter Volksbank Fehlverhalten im "Haufen-Streit"
http://www.heise.de/newsticker/meldung/103867 Externer Link

Medien in Europa

derStandard.at, Österreich (07.02.2008)
Ein Bankfoyer, ein Hundehaufen und der Datenschutz
http://derstandard.at/?id=3213314 Externer Link

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